Erkenntnis

Rationalität und Emotionalität

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In vielen finanzmathematischen Modellen z.B. für die Bewertung von derivativen Positionen, oder aber auch strategischen Entscheidungen wird unterstellt, dass Marktteilnehmer rational handeln. Der Begriff der Rationalität hat auch in den letzten Jahren im Zuge der Finanzkrise immer mehr an Popularität gewonnen. Überall wird nur mehr von rationalen Handlungen hier und nicht rationalen Handlungen dort gesprochen. Im Zuge der Krise wurde auch oft in den Raum gestellt, dass die Modelle und Prognosen daneben lagen, weil viele Marktakteure nicht rational agiert haben. Hier stellt sich für mich die Frage, wie Rationalität überhaupt definiert wird? Im Internet bin ich nicht wirklich auf eine befriedigende Antwort gestoßen.

Beispiel: Wenn ich mich heute entscheide eine Aktie zu verkaufen, wovon hängt es ab, ob meine Handlung als rational (gut gemacht, kluger Junge), oder nicht rational (nicht Messbar, dummer Junge) kategorisiert wird?

    1. Abhängig vom realisierten Kursgewinn/Kursverlust (incl. Berücksichtigung der Opportunitätskosten)? Wenn das so ist, fließen mögliche emotionale Bewegungsgründe (z.B. Will nicht jeden Tag zittern müssen, dass Aktienkurs sinkt; Wut auf die Firma, etc.) nicht in die Entscheidungsfindung ein.
    2. Abhängig vom zukünftigen Aktienkursverlauf (Du bist irrational wenn du die Aktie verkaufst und morgen der Kurs steigt)? Wenn das so ist, dann wäre eine Kategorisierung in Rational/nicht Rational erst zu zukünftigen Zeitpunkten möglich. Weil erst später sich herausstellt ob ich Gewinn gemacht habe oder nicht. Somit kann Rationalität nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt gemessen werden.
    3. Abhängig von meiner Erwartung für den zukünftigen Aktienkursverlauf? (Du bist irrational wenn du die Aktie verkaufst, obwohl der Markt erwartet, dass der Kurs morgen steigen wird)? Wenn das so ist dann würde ja jemand der den Markt schlägt, weil dieser falsch prognostiziert hat, als irrational gelten. Klingt unlogisch.
    4. Abhängig von meiner Nutzenmaximierung zum heutigen Zeitpunkt (d.h. steigt mein Nutzen wenn ich die Aktie heute verkaufe, oder nicht)? Wenn das so ist müssen auch meine emotionalen Bewegungsgründe aus der Vergangenheit und für die Zukunft berücksichtigt werden. Können wir das überhaupt messen, wenn nicht einmal ich selbst alle Faktoren kenne die mich dazu veranlasst haben die Aktie zu verkaufen?

Für die Behandlung der Fragen ist es, glaube ich, wichtig Emotionalität zuzuordnen. Ist Emotionalität ein Teil von Rationalität oder muss man diese beiden Begriffe strikt voneinander trennen, d.h. Rationalität hat nichts mit Emotionen zu tun?

Meine provokante These wäre, dass jeder für sich selbst rational handelt und wir einfach alles was wir nicht erklären können einfach als irrational abstempeln. Wie ist Eure Meinung dazu?