Wille

Wille II - Selbstverwirklichung

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Was will ich? Die Erfüllung meiner Bedürfnisse?

Dem einfachsten Bedürfnismodell (Maslow) folgend sind das materielle Grundbedürfnisse, zwischenmenschliche Bedürfnisse (Vertrauen, Anerkennung, Sexualität) und auf der Spitze der Pyramide stehend die Selbstverwirklichung. Was für ein Bedürfnis ist die Selbstverwirklichung und wie steht dieses im Kontext zum Willen?

Max schreibt, dass es in der Natur der Pflanze liegt zu wachsen. Es liegt auch in der Natur des Menschen physisch zu wachsen. Dafür braucht es die Erfüllung materieller (Essen, Schlafen) und zwischenmenschliche Bedürfnisse (Liebe, Anerkennung). Es liegt aber auch und in der Natur des Menschen sich selbst zu verwirklichen. Also sein Selbst Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Wille ist die Schnittstelle und fortgesetzter nachhaltige Impuls (weil nicht blosser Reflex) aus dem Geistigen (Denken) in das Materielle.

 

Wie kann man sich selbstverwirklichen? Was meint Selbstverwirklichung? Wie sieht dieser Wille aus? Es gibt - glaube ich - zwei Spielarten die meist in Kombination vorhanden sind:

  • Das Individuum hat ein geistiges Bild von sich in der Zukunft (Vorstellung) und die Differenzen zum Jetzt sind die Wünsche die unser Wollen definieren. Wir folgen einem Plan (als Hypothese) der sich am Weg verändert, denn mit neuen Erfahrungen verändert sich meist auch die Vorstellung (Zielbild).
  • Es gibt kein klares Bild sondern eine “Intuition“ für die Zeichen die sich am Lebensweg zeigen und denen wir folgen. Wir "wollen" folgen und unser Wille äußert sich in den notwendigen Taten um zu folgen (z.B. ich interessiere mich für ein neues Thema, eine Person, gehe einem neuen Hobby nach etc.). Diese Intuition würde ich als das von Max über Heidegger geschriebene Denken lesen. “Denken ist ein Sich-sagen-lassen dessen, was sich zeigt“[1].

Warum ist der Wille vor allem beim ersten Punkt so eine schwierige Sache?

Wir stellen uns Sachverhalte vor (Option 1). Manchmal kommt uns aber der Wille anderer Menschen, Schicksalsschläge in den Weg oder die die Realität entspricht nicht unserer Vorstellung. Das “Nicht gelingen“ kann sich in Frustration und im schlimmsten – auf Missverständnissen beruhenden Interpretationen - in Resignation äußern. Wir haben also die Situation, dass der Wille immer wieder auf Hindernisse trifft bzw. sich bei einer Zielerreichung wieder neue Ziele ergeben. Ein pausenloses Wollen und Tun, ein Zielerreichen und auch ein Zieleverfehlen. Das ist der Motor des Lebens.

Nietzsche meint mit der letzten Transformation „zum Kinde werden“, dass wir uns wie Kinder mit dem vollen Schaffens-/Lernwillen den Dingen zuwenden. Beim Nichtgelingen gilt es genauso schnell wie Kinder es tun wieder zu vergessen - uns nicht der Rache[2] preisgeben – sondern fröhlich dem nächsten Ding zuwenden. „Dies, ja dies allein ist Rache selber: des Willen Widerwille gegen die Zeit und ihr “Es war“[3]. Nietzsche meint nicht die Erlösung vom Willen (er macht uns als höchster Ausprägung der Subjektivität zum Menschen), sondern von den aus der Vergangenheit in die Gegenwart wirkenden Frustrationen.

„Der Wille wird frei vom Widerwillen gegen die Zeit, gegen Ihr bloß Vergangenes, wenn er von allem das Gehen und das Kommen, wenn er von allem dies Gehen und Widerkommen ständig will. Der Wille wird frei vom Widrigen des „Es war“, wenn er die ständige Wiederkehr von allem „es war“ will. Der Wille ist erlöst vom Widerwillen wenn er die ständige Wiederkehr des Gleichen will. So will der Wille die Ewigkeit des Gewollten. Der Wille will die Ewigkeit seiner selbst. Wille ist Ursein.“[4]

 


[1] Heidegger, Martin; Wegmarken, S75
[2] Heidegger, Martin. Was heißt denken? 5 Auflage. Tübingen: Niemeyer 1997, S34
[3] Nietzsche, Friedrich. Also sprach Zaratusthra, II. Teil, Von der Erlösung

[4] Heidegger, Martin. Was heißt denken? 5 Auflage; Tübingen: Niemeyer 1997, S43