Transparenz

DIALOG: Transparenz und Vertrauen

Lieber Max,
Ein spannender und schöner Artikel.
Vertrauen ist in der Tat ein zentrales und lohnendes Thema und die Verbindung zur Seinsvergessenheit gefällt mir. Die ökonomischen Fragestellungen zum Vertrauen waren sowohl bei meiner Diplomarbeit zentral und sind es auch bei meinem laufenden Projekt "Dissertation". Daher freue ich mich besonders auf diesen Dialog. Vertrauen ist in der Ökonomie und der Soziologie ein zentraler Begriff und über seinen Verwandten „Glauben“ auch in der Metaphysik zu finden. “Glaube ist, vielmehr tiefstes wagemutiges Vertrauen. Sein Gegenteil ist nicht Zweifel, sondern Furchtsamkeit. Angst und Furchtsamkeit aber sind die Lebenselemente des Ego, das der Selbsttäuschung des Abgetrennt seins vom Ganzen sein Scheindasein verdankt…“[1].
In der Soziologie wird häufig die Definition von Niklas Luhmann zitiert, wonach Vertrauen ein „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“ und zudem eine „riskante Vorleistung“ sei. Dort, wo die rationale Abwägung von Informationen – aufgrund unüberschaubarer Komplexität, wegen Zeitmangels zur Auswertung oder des gänzlichen Fehlens von Informationen überhaupt – nicht möglich ist, befähige Vertrauen zu einer auf Intuition gestützten Entscheidung“[2]
Vertrauen spielt in der ökonomischen Bankenliteratur eine zentrale Rolle. Durch Informationsasymmetrien zwischen Vertragspartnern und den Kosten der Informationsbeschaffung weicht der Marktmechanismus vom erwarteten Optimum ab. Akteure nutzen Informationsasymmetrien aus. Banken sind als Intermediäre effizient im Überkommen dieser Informationsprobleme, welche in der Principal - Agenten Literatur[3] ausführlich behandelt werden. Die Prinzipal Agenten Konstellationen sind im Bankenbereich vielfältig. So nimmt die Bank im Kreditgeschäft die Rolle des Eigentümers (Principal) ein und der Kreditnehmer ist der Agent. Im Einlagenbereich drehen sich diese Positionen um und die Bank wird zum Agenten. Gleiches gilt im Verhältnis Bankmanagement zu Eigentümern. Die Begrifflichkeiten aus der Literatur dazu sind “Adverse Selektion“[4]- Kosten der Einschätzung der Qualität, “Moral Hazard“ - Sicherstellung des vertragskonformen Verhaltens[5], “Costly State Verification” - Kosten der Einschätzung des Ergebnisses[6].
These: Menschen verhalten sich (wenn überhaupt) nur in nahen, engen Beziehungen „vertrauensvoll“ - innerhalb eines moralischen oder sozialen Rahmens. Sobald die Beziehungen distanziert oder rein auf ökonomischen Überlegungen basieren, wird der Anreiz für egoistisches Verhalten größer und Informationsprobleme entstehen. Durch Fristen- und Losgrößentransformation sind enge, starke Beziehungen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer nicht möglich und Banken notwendig, da Sie effizient im Überkommen von Informationsproblemen sind. Durch die Schaffung von effizienten Kreditmärkten haben wir zugunsten von Wohlstand und Effizienz und auf Kosten der ehemaligen Nähe in der Kreditvergabe (im Bekannten-/Familien) verzichtet. Nähe, Unmittelbarkeit (auch Ergriffenheit) bei der personalisierten Kreditvergabe hat auch Ihre Schattenseiten, die ich in Indien bei meinem Aufenthalt bei einem Mikrofinanzierungsunternehmen erfahren durfte. Soziale Beziehungen werden dann nämlich "ökonomisiert".

[1] Steindl-Rast, David. Credo – Ein Glaube, der alle verbindet. Herder. Freiburg-Basel-Wien, S.18
[2] Wikipedia (“Vertrauen“), abgerufen am 5.6.2011
[3] Freixas, Xavier; Rochet, Jean-Charles (2008): Microeconomics of banking. 2. ed. Cambridge, Mass.: MIT Press
[4] Akerlof, George A. (1970): The Market for 'Lemons': Quality Uncertainty and the Market Mechanism. The Quarterly Journal of Economics, Jg. 84, H. 3, S. 488–500
[5] Stiglitz, Joseph E.; Weiss, Andrew (1981): Credit Rationing in Markets with Imperfect Information. In: The American Economic Review, Jg. 71, H. 3, S. 393–41
[6] Townsend, R. (1979): Optimal contracts and competitive markets with costly state verfication. In: Journal of Economic Theory, Jg. 21, H. 2, S. 265–293.