Markt und Konkurrenz

Vision und Perspektiven versus Strategien

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Perspektiven und Visionen unterscheiden sich für mich von Strategien in der Fristigkeit, der Mobilisierungskraft, der Einfachheit und der Offenheit des Weges. Visionen beantworten das “wieso“, “was“, “warum“. Es geht um die Fragen des Sinns und des Zwecks. Bei Strategien hingegen um das “wie“.

Ein kurzer Abgleich mit Wikipedia soll das allgemeine Verständnis dieser Begrifflichkeiten zeigen.

“Vision“[1] (lat. visio, „Anblick, Erscheinung“) steht für

  • „Der Mensch wird durch die Vorstellung eines vergangenen oder zukünftigen Dinges mit dem gleichen Affekt der Lust und Unlust affiziert wie durch die Vorstellung eines gegenwärtigen Dinges.“ (Spinoza)
  • „Durch den Verstand werden die Vorstellungen zur Einheit verknüpft.“ (Kant)
  • „Die Welt ist meine Vorstellung.“ (Schoppenhauer)
  • „Ursprünglich Chaos der Vorstellungen. Die Vorstellungen, die sich miteinander vertrugen, blieben übrig, die größte Zahl ging zugrunde – und geht zugrunde.“ (Nietzsche)

Ich lese also Vision in unserem Kontext, als etwas lustvoll (positv) Zukünftiges (Spinoza), etwas vom Verstand eines Individuums Vorgestelltes (Kant), das zur Realitätswerdung die Vorstellung durch viele benötigt (Nietzsche).
Spannend ist, dass diese philosophischen Definition alle auf "Vorstellungen" referenzieren. Vorstellungen können sehr allgemein sein aber meist verbindet man damit konkrete Bilder (die vorgestellt werden). Somit ist diese Definition in der engeren Auslegung für das Eingangsstatement etwas zu konkret. Ist bei einem konkreten Bild der Weg wirklich noch offen?

Im Unternehmenskontext[2]  wird zwischen “Vision“ und “Mission“ unterschieden.

  • Vision: Defines the desired or intended future state of an organization or enterprise in terms of its fundamental objective and/or strategic direction. Vision is a long-term view……
  • Mission: Defines the fundamental purpose of an organization or an enterprise, succinctly describing why it exists and what it does to achieve its Vision

Es geht also um die Frage, wie das Unternehmen in der Zukunft aussehen soll und zu welchem Zweck das Unternehmen existiert.

Der Managementvordenker Prof. Malek baut seine Argumentation auf dem “Zweck“ des Unternehmens auf[4]. “Wenn der Zweck falsch ist, kann die Strategie nicht richtig sein“ und es gibt nur einen richtigen Zweck “Transformation von Ressourcen in Nutzen für den Kunden“. Daher ist der Unternehmenszweck für Ihn der “Customer Value“. Der Fokus auf den “Customer Value“ löst für Ihn zwei Probleme (S.88). Erstens wird aus dem Unternehmen wieder „eine produktive Zelle der Gesellschaft“ statt einer Geldmaschine und zweitens wird sichergestellt, dass die Führungsorgane der Unternehmen die richtigen Entscheidungen treffen. Malek (S.89) argumentiert die Priorisierung des Fokus auf den Kunden mit der logischen Zweiteilung Leistungsschaffung (Kundenorientiert) vor Leistungsverteilung (Shareholder vs. Stakeholder Orientierung). Mir sagt die schlüssige Argumentation sehr zu. Kritisch anzumerken ist nur, dass die normative Ebene beim Kundennutzen fehlt. Gilt diese Argumentation auch für einen Waffenproduzenten der für sein Kunden "Afrikanische Diktatoren" Kindersoldaten mit Waffen versorgt? Der Kundennutzen ist sicher im Großteil der Fälle der entscheidende Parameter, aber für diese Ausnahmen gibt es auch ein Richtig und Falsch.

Die Business Mission konkretisiert er dann weiter in drei Hauptfragen (1) Was ist der Bedarf? (2) Was sind unsere Stärken und (3) Woher kommt unsere Überzeugung? Alle drei Fragen sind sicher entscheidend, wobei ich die letzte Frage besonders spannend finde, die er (S.93) in einer Diskussion zu den Überzeugungen konkretisiert. Er zeigt (S.94), wie aus einer solchen Mission Nutzen (aus Bedarf und Stärken), Stolz, Selbstrespekt/-vertrauen (aus Stärken und Überzeugungen) und Sinn (Überzeugung und Bedarf) entsteht. Besonders der letzte Punkt der Notwendigkeit des Sinns ist für mich überzeugend. Ich durfte Unternehmen erleben in denen Mitarbeiter Sinn in Ihrer Tätigkeit erlebt haben und Stolz auf ihr Unternehmen waren, aber auch eben Unternehmen, bei denen dies nicht vorhanden war. Er schließt die Abhandlung zum Sinn und dem Zusammenhang zur Motivation mit zwei schönen Zitaten ab. Frankl[5], in dessen Existenzphilosophie/-psychologie sich alles um den Lebenssinn dreht: “Lebenssinn, ist jener Sinn – individuell und kollektiv - , der im Dienst an einer Sache oder Aufgabe liegt“ und Nietzsche: “Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie…..“

Dieses Nietzsche Zitat spannt einen schönen Bogen zum Eingangsstatement. Visionen beantworten das “wieso“, “was“, “warum“. Es geht um die Fragen des Sinns, des Zwecks, bei Strategien hingegen um das “wie“.

Braucht es neue Perspektiven für das Finanzwesen, oder reicht es die alten (wo vorhanden) ursprünglichen Visionen für die kommenden Generationen zu sichern?

Obwohl die Strategie (das "wie", der Weg) in diesem Beitrag nicht besprochen wurde ist klar, dass der Weg genauso entscheidend ist wie das Ziel. Ziele rechtfertigen meiner Meinung nach nicht jeden Weg.

 
 
[1] Wikipedia: Vision
[2] Wikipedia: Vision statements, Mission statements and values
[3] Malik, Fredmund; 2011; Strategie – Navigieren in der Komplexität der neuen Welt; Campus Verlag; Frankfurt-New York, S85 ff.
[5] Frankl, Viktor: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, München 1979, 3, Auflage 1982

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