Interessen
Die Rolle der Stakeholder in der Perspektive
Die Finanzkrise hat viele Ursachen[1] von denen nur ein Teil in den Finanzinstituten begründet ist. Die fehlende Perspektive und die Kurzfristigkeit der Gewinnmaximierung - welche im zitierten Bericht als nicht Berücksichtigung/niedrige Bewertung von Risiken bezeichnet werden - sind jedoch ein wesentlicher Teil.
Zwei grundlegende Denkrichtungen bieten Lösungsvorschläge zur Handhabung der Probleme:
- Die christlich konservative Perspektive argumentiert über Werte, wie Genügsamkeit und Verantwortung, und sieht die Lösung bei den Akteuren. Ein spannender Vertreter dieser Denkrichtung ist der Leiter des Benediktinerordens Wolf Notker.[2]
- Linke-sozialdemokratische Vertreter sehen die Lösung im Staat und fordern eine stärkere Regulierung des Finanzwesens. So zum Beispiel die Akademikervereinigung der österreichischen Sozialdemokraten[3].
Beide Ansätze sind vernünftig, greifen jedoch in einer entscheidenden Dimension zu kurz.
Das Finanzwesen folgt seinem “Wesen“ nach einer eigenen Logik, besitzt eigene starke Kräfte, Maximen und Regeln. Diese Logik macht es dem einzelnen Akteur schwer den eigenen Werten zu folgen. Das Bonus- und Provisionssystem, die Karriereentwicklung und die Aktionärserwartungen geben enge Bahnen vor. Diese Kräfte lassen sich auch kaum und immer nur temporär durch die von der anderen Seite geforderten regulatorische Hürden in Bahnen lenken. Ein gutes Beispiel sind die zunehmend komplexen Bilanzoptimierungs-Transakionen zu Basel II, die den eigentlichen Sinn - Stabilität - durch den Einsatz von komplexesten Konstruktionen konterkarieren.
Wie können nun solche Krisen verhindert werden und welche Rolle spielen die Stakeholder?
Ein Unternehmen, dass konsequent und ausbalanciert auf die Stakeholder Interessen ausgerichtet ist, tendiert nicht zur kurzfristigen Gewinnmaximierung. Wenn Vision und Strategie auf die Interessen der Eigentümer, Kunden und Mitarbeiter ausgerichtet sind, werden Risiken im ausreichenden Maß berücksichtigt. Es handelte sich somit um Fehlsteuerung und falsch gesetzte Anreize. Voraussetzung für diese Hypothese ist aber die Annahme, dass eine Bank auch Bankrott gehen kann und nicht mit einem Rettungsschirm rechnen kann.
Die reine Steuerung über den Gewinn wird als Shareholder-Value Optimierung bezeichnet. Die Gefahr dieses Ansatzes liegt in der Täuschung durch die Schlichtheit, die vorgibt alle Antworten zu beinhalten und in einer Dimension zu vereinen. Jedoch reicht diese Einfachheit weder als normative noch als strategische Steuerungsgröße aus. Der Gewinn als zentrales Interesse der Eigentümer ist Resultat der Ausrichtung (ein Indikator) und nicht Ziel oder der Zweck. Das eigentliche Ziel sind langfristig profitable Kundenbeziehungen und das Mittel dazu sind in der Dienstleistungsindustrie die Mitarbeiter.
Das Gegenstück zur Shareholder ist die Stakeholder Orientierung, welche auch die Interessen von Kunden, Mitarbeiter, Öffentlichkeit, Lieferanten und Fremdkapitalgeber berücksichtigt. Mir scheint der Stakeholder Ansatz strategisch überlegen. Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen sind der entscheidende Erfolgsfaktor im Dienstleistungssektor und diese werden in diesem Ansatz berücksichtigt. Kundenbeziehungen beinhalten in meiner Definition auch potentielle Kunden und damit die Gesellschaft. Dieser Gedanke ist nun nicht grundlegend neu. Marken- und Unternehmenswert Überlegungen, spiegeln diese Erkenntnis genauso wieder, wie die Public Relation und Compliance Abteilungen der Finanzinstitute. Prof. Malek[4] (S.89) argumentiert, dass eine reine Customer Value Fokussierung im Vordergrund stehen sollte, da die Frage der Leistungsschaffung (Customer) vor der Leistungsverteilung (Share- oder Stakeholder) stehen sollte. Die Ausrichtung am Kunden ist sicherlich die wichtigste Dimension. Die Grenzen zwischen Stakeholder und Customer Orientierung sind jedoch nicht so klar. Wenn auch die potentiellen Kunden eines Finanzinstitutes einbezogen werden, ist schnell die gesamte Öffentlichkeit Ziel der Ausrichtung und definiert nicht gerade die Leistungsverteilung (Vertriebsvergütung) oft die Beziehung zum Kunden?
Wieso wird diese vermeintliche einfache Lösung nun nicht einfach umgesetzt und gelebt? Meiner Meinung nach liegt die Begründung, darin dass die verschiedenen Stakeholder unterschiedliche (1) Zeithorizonte der Optimierung besitzen und die institutionellen Bedingungen einzelnen Stakeholdern mehr (2) Macht geben. Zu den Zeithorizonten, vermute ich, dass diese gar nicht so verschieden sind, sondern nur schlecht ausbalanciert werden.
- Kunden haben aufgrund von Wechselkosten bei einem guten Angebot ein langfristiges Interesse an der Beziehung zum Unternehmen.
- Aktionäre sind nur vordergründig kurzfristig orientiert. Ein langfristiger Unternehmenswert (handelbar an der Börse) ist nicht schlechter als eine kurzfristige Dividende/ Kurssteigerung.
- Angestellte haben meist ein langfristiges Interesse.
- Fremdkapitalgeber haben meist ein langfristiges Interesse.
- Institutionelle Akteure (Organmandate) haben einen vier-jahres Horizont. Sie haben das kurzfristigste Maximierungsziel, mittlerweile werden aber über langfristige Bonuszahlungen auch hier die Anreize langfristiger ausgesteuert.
Wie sieht es mit der Macht der Akteure aus? Meiner Meinung nach haben die Kunden momentan noch die geringste Macht und die institutionellen Akteure die größte Macht. Die geringe Kundenmacht ist ein Resultat der oligopolen Marktstruktur mit der geringen Produktdifferenzierung, die dem Kunden keine realen Alternativen und Wechselmöglichkeiten geboten hat. Dieser Punkt wurde aber in den letzten Jahren durch den intensivieren Wettbewerb der Direktbanken etwas abgeschwächt. Daher war bis dato auch die geringe Ausrichtung am Kunden möglich.
Dieser Beitrag soll die Diskussion um den Rahmen/Raum vorantreiben. Der Artikel Perspektiven stellt für mich auch einen Rahmen dar, nämlich in Form von zusätzlichen Dimensionen (soziale, individuelle-kulturelle) die Teil jeder Stakeholder Beziehung sind.